Sie sind hier: Startseite » 1971 – 2021: 50 Jahre Eingemeindungen: Ergebnisse der Gebietsreform im Raum Donauwörth
Stadtarchivarin Dr. Cathrin Hermann
Die Gemeinde, der direkte Bezugspunkt des Bürgers, hat sich im Laufe der Jahrhunderte schon häufig gewandelt. Zu einschneidenden Änderungen kam es bayernweit mit der ab 1969 durchgeführten Gebietsreform. Im Ergebnis wurde die Zahl der Gemeinden von 7073 (Stand 1969) auf gut 2050 im Jahr 1978 verkleinert, also ein Rückgang um 71% Prozent.
Die ersten Eingemeindungen nach Donauwörth jähren sich heuer zum fünfzigsten Mal: die Gemeinden Auchsesheim, Nordheim und Zirgesheim wurden 1971 Stadtteile von Donauwörth. Im folgenden Jahr wurden dann Riedlingen und Zusum eingemeindet. 1973 kam Berg zu Donauwörth und 1978 folgten Wörnitzstein und Schäfstall. Die heutige Stadt erhielt dadurch ihre jetzige Struktur und Ausdehnung.
Seit dem Spätmittelalter organisierten Gemeinden das Leben vor Ort und mit der Obrigkeit, entsprechend alt sind die lokalen Traditionen der Selbstorganisation. Im historischen Siedlungsraum um Donau, Wörnitz, Zusam und Schmutter war dies nicht anders. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bildete sich dann eine einheitliche Gemeindeorganisation in Bayern im Zuge der staatlichen Modernisierung. Immer wieder gab es Überlegungen die Zahl der Kleinstgemeinden zu reduzieren. In Donauwörth kam es bereits 1935 zu recht konkreten Planungen für mögliche Zusammenlegungen: Die Stadt Donauwörth konnte sich die Gebiete von Berg, Zirgesheim und Riedlingen als mögliche neue Stadtteile vorstellen. Das Landratsamt sah eher Nordheim und Auchsesheim als Eingemeindungskandidaten. Die Pläne hatten zwei Ausgangspunkte: Erstens zielten auch die nationalsozialistischen Vorstellungen auf die Bildung größerer Gemeindestrukturen mit höherer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Effektivität ab. Dies zeigte sich auch an der Bedeutung, die der Pro-Kopf-Verschuldung von Auchsesheim, Berg, Nordheim, Riedlingen und Zirgesheim beigemessen wurde. Durch die geringeren Gemeindeeinnahmen sowie die sozialen wie wirtschaftlichen Verwerfungen nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich diese deutlich erhöht. Zweitens hatte Donauwörth auf Grund der engen Gemeindegrenzen ein deutliches Interesse an den Eingemeindungen. Dringend benötigtes Bauland konnte nur in den Umlandgemeinden durch Eingemeindungen einzelner Grundstücke gewonnen werden. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden die Pläne abgebrochen.
Zu großflächigen Veränderungen auf Kreis- und Gemeindeebene sollte es erst durch die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Gebietsreformen kommen. Auch im europäischen Ausland gab es eine vergleichbare Politik, die ebenfalls durch weitläufige Zusammenlegungen die Gemeindestruktur tiefgreifend veränderte.
Woraus bestand nun die Gebietsreform in Bayern? Sie umfasste vier miteinander verschränkte Teilreformen: Die 1969 begonnene Gemeindefinanzreform hatte die Stärkung der Gemeindefinanzen zum Ziel und förderte Zusammenlegungen. Mit der Funktionalreform wurden Aufgaben der Landratsämter an die Kommunen übertragen, im Gegenzug übernahmen die Landratsämter Aufgaben der Staatsverwaltung. Hierdurch wurde die kommunale Selbstverwaltung gestärkt. Durch die Kreisreform sollten bestehende kleine Landkreise und kreisfreie Städte zu größeren, durch höhere Ausstattung mit Fachpersonal leistungsfähigeren Kreisen zusammengelegt werden. Mit der Gemeindegebietsreform sollten schlussendlich kleine Gemeinden eingemeindet oder in Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen werden. Ziel war eine Angleichung des Lebensstandards an die städtische Infrastruktur um die bestehende Landflucht zu mindern. Neben dem notwendigen Ausbau bei der Versorgungs- und Verkehrsinfrastruktur standen auch Schulen und Bildungseinrichtungen im Fokus. Zudem erforderten die neu übertragenen Aufgaben an die Gemeindeverwaltungen sowie die parallele Einführung der elektronischen Datenverarbeitung einen Ausbau des Gemeindepersonals. All dies war für kleine Gemeinden mit ihren geringen Einnahmen und dem nur teilweise vorhandenen Fachpersonal kaum leistbar.
In ihrem Ablauf setzte die bayerische Gemeindegebietsreform auf den freiwilligen Zusammenschluss bis 1976, danach wurden Gemeinden auf dem Verordnungswege zusammengelegt. Um die Bereitschaft zu Eingemeindungen zu erhöhen, bestanden staatliche Zuschüsse bei frühzeitigen Vertragsabschlüssen zwischen den Gemeinden. Gerade bei den Donauwörther Eingemeindungsverhandlungen bis 1973 war dies ein großes Thema; vertraglich wurde festgelegt, diese Zuschüsse gänzlich für die Infrastruktur der neuen Stadtteile zu verwenden.
Die ab Anfang 1971 teilweise unter hohem Zeitdruck geführten Verhandlungen mit den Gemeinden Nordheim, Riedlingen und Zirgesheim gingen mit Informationsveranstaltungen für die betroffene Bevölkerung einher. Seitens der Gemeinden gab es konkrete Vorstellungen und Forderungen bezüglich des Nutzens für die jeweilige Gemeindeentwicklung. Zugleich mussten sie der Stadt Donauwörth genauestens Einblick in ihre Finanzen und ihren Besitz gewähren. Mit den Gemeinden Berg, Zirgesheim, Riedlingen, Auchsesheim und Nordheim wurde unter anderem die Fortführung des Ausbaus von Wasser- und Abwasserversorgung. Aber auch der Ausbau von Straßen oder die Beibehaltung von Bebauungsplänen wurden ausgehandelt. All diese Ausbauten hatten zuvor auch für die neuen Donauwörther Stadtteile eine große finanzielle Belastung dargestellt. Die so erarbeiteten Bedingungen fanden nicht nur bei den kommunalen Gremien, sondern auch bei der Wahlbevölkerung mehrheitliche Zustimmung. Bei den Eingemeindungen von Wörnitzstein und Schäfstall erfolgte durch die Regierung von Schwaben eine entsprechende Anweisung.
Für alle Seiten brachten die Eingemeindungen tiefe Veränderungen mit sich. Die bisherigen ehrenamtlichen Bürgermeister der ehemals selbständigen Gemeinden wurden zu Ortssprechern, die zwar mit Antragsrecht, aber ohne Stimmrecht, an Sitzungen des Gemeinderats teilnahmen.
Die Frage, wie die neuen Gemeindeteile eingebunden werden konnten, stellte sich dabei für beide Seiten. Und es gab viele weitere Herausforderungen, teils ganz praktischer Natur: Wie ging man mit den bisherigen Gemeindenamen um? Wurde sie noch in der Adresse verwendet oder erhielt die vergrößerte Gemeinde überhaupt einen neuen Namen? In Donauwörth beschloss der Stadtrat 1971 aus konkretem Anlass, dass auf den Ortstafeln die Stadtteile zusätzlich zum Stadtnamen „Donauwörth“ zu nennen sind. Ebenso wurde die Förderung von Vereinen, deren Festen sowie der Feuerwehren vertraglich bei der Eingemeindung geregelt, um das kulturelle Leben vor Ort auch weiterhin zu erhalten. Für die Stadt kamen zugleich neue Aufgaben hinzu: Die Gemeindeplanungen hatten sich zukünftig auf größere Gebiete auszurichten, Bauprojekte waren anzupassen und auch die Verwaltung musste umgestaltet werden.
Um die Eingemeindungen zu würdigen, wird Mitte Januar 2022 eine Ausstellung des Stadtarchivs Donauwörth im Foyer der Volkshochschule zu sehen sein. Zudem wird das Thema dann im Sommer 2022 in einem Vortrag von Julia Mattern ebenfalls an der VHS behandelt. Als Angebot für die Donauwörther, ihre Stadt und die Stadtteile besser kennenzulernen, erarbeitet die Städtische Tourist-Information derzeit zusammen mit den Donauwörther Gästeführern eine Radrundtour und Führungen durch die Stadtteile.
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