Stickbilder

4 Stickbilder von Käthe Kruse, um 1905-1910, Käthe-Kruse-Puppen-Museum, Inv.Nr. 643 (13,0 X 18,0 cm), Obstgarten, 644 (19,0 X 14,0 cm), Wald im Sonnenuntergang, 645 (15,0 X 19,5 cm), Weg durch ein Getreidefeld 646 (15,0 X 19,5 cm), Gebirgssee am Abend

Die Stickbilder sind vom 11.03. bis 24.03. mit ausführlicher Beschreibung in der Dauerausstellung zu sehen.

Vermutlich in den Jahren ab 1905 gestaltete Käthe Kruse mehrere Stickbilder. Max Kruse jun. beschrieb in seinem Buch „Die versunkene Zeit“ das Schlafzimmer der Mutter: „…und an den Wänden hingen viele Bilder. Da gab es Aquarelle, Landschaften, von meiner Mutter gemalt, und Kinderszenen: Bäumchen, Schäfchen, kleine Mädchen. Die hatte alle Mutter mit Wolle gestickt und sie war stolz drauf.“ In den Bestand des Käthe-Kruse-Puppen-Museums gelangten die 4 Stickbilder im Juni 2006 durch einen Ankauf aus dem Nachlass von A. Martha Roestel, geb. 1896, die zur Zeit des Ersten Weltkrieges in den Werkstätten dienstverpflichtet wurde.

Die Bilder sind mit teilweise dicken Wollfäden auf Stramin gestickt, deren Ränder nicht gesäumt sind. Mit langen Spannstichen in horizontaler und vertikaler Ausrichtung werden grundsätzliche Bildinhalte charakterisiert, kurze Stiche nutzt Käthe Kruse nur für die Details. Diese Technik verleiht den kleinformatigen Bildern eine unerwartete Großzügigkeit im Vergleich mit Stickbildern in der damals beliebten Petit-Point-Stickerei mit eng aneinander gesetzten punktartigen Stichen,  die bis ins frühe 20. Jahrhundert gepflegt wurde und fast fotografisch genaue Szenen ermöglichte.

Wenn man bedenkt, dass die Stickbilder von Käthe Kruse im Zeitraum zwischen 1904 bis spätestens 1909 in den Jahren ihres Aufenthaltes in Ascona entstanden sein müssen, überraschen sie mit einer Abstraktion der Bildinhalte, die der besonderen Technik geschuldet sind. „(…) vor allem ihre mit Wolle gestickten Bilder greifen in der notwendigen Reduktion der Details der Abstraktion der Expressionisten vor, deren neue Kunst sich 1905 erst langsam bildete“,  wie Dr. Sigrun Paas in ihrem Aufsatz „Käthe Kruse als Schauspielerin und Malerin“ schreibt.

(Schriften der Museen der Stadt Donauwörth, Bd. 6, 2016, S.52)

Durch den abgeschiedenen Aufenthalt in Ascona ist es kaum denkbar, dass Käthe Kruse in dieser Zeit Kontakt zu der aufstrebenden neuen Kunst hatte. In ihrer Autobiografie „Das große Puppenspiel“ beschrieb Käthe Kruse aber, dass sie dort ihre Begabung für das Zeichnen und Malen entdeckte. Es waren inzwischen einige Aquarelle entstanden, die bei Wanderungen beispielsweise im Apennin entstanden waren und die sie ihrem Lebensgefährten Max Kruse nach Berlin schickte. Seine Reaktion war für Käthe Kruse eine unerwartete Bestätigung: „Ich kann es gar nicht begreifen. Du bist mit einem Knall aufgesprungen“, schrieb Max Kruse nämlich zurück.

Dr. Sigrun Paas beschreibt in ihrem oben erwähnten Aufsatz in direkten Bildvergleichen verblüffende Parallelen der Stickbilder mit Arbeiten heute berühmter Künstlerinnen und Künstlern wie August Macke, Karl Schmidt-Rottluff, Alexej Jawlenski, Gabriele Münter und  Paula Modersohn - Becker. Insofern sind diese Stickbilder als kunsthistorisch bedeutsamer Teil im Bestand des Käthe-Kruse-Puppen- Museums anzusehen, der Grundlage für weitere Forschungen sein könnte.