Deutscher Michel

Puppe I mit breiten Hüften, Froschhand 1912/1013 Käthe-Kruse-Puppen-Museum, Schenkung Meyer-Heck Inv.Nr. 3033

Die Puppe ist vom 25.02. bis 10.03. mit ausführlicher Beschreibung in der Dauerausstellung zu sehen.

Schon im ersten Katalog der Manufaktur aus dem Jahr 1913 wurde eine Puppe in der Kleidung als „Deutscher Michel“ angeboten und im Text auch als solcher bezeichnet. Die Puppe trägt zur weißen Hose ein Blauhemd, eine weiße Zipfelmütze und geflochtene Strohschuhe.

Diese Puppe war wohl so beliebt, dass sie auch 1916-1918, 1923 und 1926/27 angeboten wurde. Die Datierung unserer Puppe ist durch die charakteristische „Froschhand“ gesichert, ab 1913 wurde ein anderer Schnitt für die Hände benutzt.

Der deutsche Michel in der Kleidung eines Müllerburschen oder Bauernknechtes wurde als stereotype Personifikation der Deutschen wie Uncle Sam als Symbol der Amerikaner, John Bull für die Engländer oder Marianne für die Franzosen. Dabei wird den Deutschen die Eigenschaft der Trägheit und Dummheit zugewiesen.

Von dem in Donauwörth geborenem Chronisten Sebastian Franck ist in seiner Sprichwörtersammlung aus dem Jahr 1541 die früheste bekannte Erwähnung des Deutschen Michels überliefert. Dort beschreibt er den „Teutsch Michel“ als tumben Bauern und Dummerjan, als trunk- und schlafsüchtigen Provinzler, der keine Sprache spricht außer der eigenen, erst recht kein gelehrtes Latein.

Während des Dreißigjährigen Krieges erfuhr der Deutsche Michel eine grundlegende Umdeutung zum mutigen Kämpfer und wurde oft im Harnisch abgebildet. Im Zuge des Scheiterns der Revolution von 1848 veränderte sich das Bild wieder. Heinrich Heine spottete: „Derweil der Michel, geduldig und gut, begann zu schnarchen und zu schlafen. Und erwachte unter der Hut von 34 Monarchen.“ Während des ersten Weltkrieges stand der Deutsche Michel als starker Kämpfer gegen Deutschlands Feinde. Erst nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde der Deutsche Michel zur Spottfigur, deren Wiedergabe schließlich 1936 per Erlass von den Nationalsozialisten verboten wurde. Heute tauchen immer wieder Karikaturen auf, die den Deutschen Michel dann zeigen, wenn den Deutschen ein unkluges Verhalten aufgezeigt werden soll. (Zitiert nach einem Exposé zum „Stichtag“ des WDR am 31.12.2016)

Es ist nicht denkbar, dass Käthe Kruse mit ihrer Puppe Kritik an den Deutschen ausdrücken wollte. Zur Entstehungszeit 1913 hatte der Deutsche Michel sowieso eher eine fast heldenhaft positive Bedeutung der Kraft und Stärke. So ist wohl eher davon auszugehen, dass ihr das Motiv ebenso gefiel wie die Darstellung einer osteuropäisch gekleideten „Petruschka“ oder dem Pärchen „Lutt Matten und Kathrinchen“ in niederländischer Kleidung.