
Frühe Puppe I
um 1910, Käthe-Kruse-Puppen-Museum, Inv.Nr. 1, Fußstempel Nr. 13 (?)
Die Puppe ist vom 20.01. bis 10.02. mit ausführlicher Beschreibung in der Dauerausstellung zu sehen.
Die Herkunft der frühen Puppe lässt sich sehr gut nachvollziehen, denn sie stammt aus dem Archiv der Käthe-Kruse Manufaktur. Sie bildet mit vielen weiteren Exponaten den Grundstock der Sammlung des Donauwörther Käthe-Kruse-Puppen-Museums, ein Bestand der im Jahr 1988 als Stiftung des Ehepaares Hanne Adler-Kruse und Heinz Adler in den Besitz der Stadt Donauwörth gelangte.
Die Ausfertigung des Kopfes der Puppe erinnert sehr an die Beschreibung von Käthe Kruse, dass sie den Fiamingo-Kopf aus Gips stramm mit Stoff bezogen und die so entstandene Form mit flüssigem Wachs ausgegossen habe, das nach Erkalten fest wurde. Vermutlich war der Arbeitsgang ein etwas anderer. Denkbar wäre, dass Käthe Kruse zuerst den bereits genähten Stoff der Gesichtsmaske in flüssiges Wachs tauchte, über den Gipskopf spannte und auf der Form erkalten ließ. Deutlich sichtbar sind zwei Nähte, die von den Mundwinkeln bis zur Halsnaht verlaufen, um die starke Rundung des Kinns modellieren zu können. Eine Naht, die quer über den Nasenrücken verläuft, ist unter der deckenden Wachsschicht kaum zu erahnen. Sie belegt die sehr frühe Entstehungszeit, als Käthe Kruse noch keine andere Möglichkeit sah, die Nasen zu formen. Der Hals selbst besteht aus einem Stoffstreifen, der mit zwei Nähten quer zwischen Leib und Kopf eingefügt wurde.
Die Puppe zeigt tatsächlich deutlich eine Wachsschicht auf der Oberfläche, die mit Ölfarben bemalt wurde. Die Bemalung von Wachs mit Ölfarben war bereits seit Jahrhunderten für die Herstellung von Köpfen für Krippenfiguren, Jesulein oder anderen Devotionalien bekannt und bewährt. Es ist allerdings kaum vorstellbar dass auf diese Weise – trotz aller elterlichen Ermahnungen zur Vorsicht- stabile Puppenköpfe hergestellt werden konnten, die dem kindlichen Spiel lange standhielten.
Was bei dieser frühen Puppe besonders auffällt, sind die noch angenähten Beine, Käthe Kruse verwendete hier also noch keine Scheibengelenke, wie sie die Puppen des ersten Kataloges aus dem Jahr 1913 bereits hatten. Die Beine setzen sich aus jeweils 4 Stoffstreifen zusammen, die Füße sind rund, das heißt ohne Fußscheibe. Die Arme haben an der Außen- und Innenseite jeweils eine Längsnaht und sind durch eine querverlaufende Ellbogennaht geteilt, die ein Abwinkeln der Arme ermöglicht. Die flächigen Froschhände sind an die Unterarme angeschnitten und wirken mit den kurzen und dicken abgesteppten Fingern doch etwas feiner als bei anderen frühen Vergleichsbeispielen. Die Naht verläuft in gerader Linie entlang der Fingerkuppen.
Der runde Körper wird durch 6 Stoffstreifen gebildet, wobei ein schmaler Streifen vorn und hinten in der Mitte geradlinig eingesetzt ist. Alle Körperteile sind relativ weich gestopft, das leichte Gewicht lässt auf Kapok als Füllmaterial schließen. Kapok hat den Nachteil, dass es die Form auf Dauer nicht so gut hält wie das später benutzte Reh und Rentierhaar. Das führte bei dem vorliegenden Beispiel dazu, dass der Stoffkörper nicht mehr prall gefüllt erscheint. Besonders der Hals ist inzwischen weitgehend ohne Füllung, was zu Schäden geführt hat.
Alle Körperteile sind auf links genäht und verstürzt, einzeln mit Füllmaterial gestopft und anschließend zusammengesetzt worden. Der bis auf wenige Reparaturen nahezu unberührte Originalzustand ist durch die nur teilweise beschädigte oder beriebene Bemalung des Körpers belegt, die erst erfolgte, als der Körper fertig genäht war, d.h. die Nähte an Hals, Armansätzen und Beinen liegen unter der originalen Bemalung und sind deshalb als ursprünglich anzusehen.
Der nicht mehr deutlich lesbare Fußstempel auf der rechten Fußsohle mit lässt die Zahl 43 erahnen. Bei genauerer Betrachtung erscheint statt der ersten Zahl 4 aber eine 1 wahrscheinlicher. Damit würde es sich um die Puppe mit der Nummer 13 handeln.
Auf der Basis dieser Befundlage ist davon auszugehen, dass diese Puppe in einer möglichen Chronologie der frühen Stadien eine besondere Rolle einnimmt. Obwohl sie kleinere Ausbesserungen erfahren hat, ist sie doch weitgehend im originalen Zustand erhalten. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Puppe ungefähr aus der Zeit der Ausstellung bei Hermann Tietz im Herbst 1910 stammt, als Käthe Kruse mit ihren Puppen noch in einer Versuchsphase nach Wegen suchte, ihre Puppen für eine Fertigung in Serie reproduzierbar zu machen.


